21
Mai
2006

Alltagsgespenst

Es schiebt sich durch den Türspalt, geistert durch den Raum, lässt sich in der Ecke nieder und schaut mir zu.
Ich tu so, als ob ich es nicht bemerken würde, aber aus dem Augenwinkel sehe ich es, mit Unbehagen.
Immer wieder ignoriere ich seine körperlose Gestalt, die so schemenhaft in meiner nächsten Nähe verweilt, damit es nicht so viel Aufmerksamkeit bekommt und von alleine wieder verschwindet.
Klappt aber nicht. Und so ist es immer noch im Raum. Dieses ärgerliche Unwesen.
Eben gerade hat es mich heimlich an meiner Schulter gepackt. Erschrocken habe ich mich nicht, weiß ich doch von seiner Anwesenheit. Ich habe es grimmig angeschaut und ihm erzählt, dass ich meine Abenteuer woanders suche. Es wäre schon so lange da, dass ich mich vor ihm auch nicht mehr fürchten würde.
Nun reiße ich die Türen und Fenster weit auf, damit der frische Wind durch das Zimmer fegen kann, in alle Ritzen.
Es wird ihm so richtig schön unbequem werden.

19
Mai
2006

Am Ende

Ich kann nur hoffen, dass am Ende meines Lebens einer bei mir ist, der den längeren Atem hat.

Heute habe ich meinen todkranken Opa besucht. Er hat Lungenkrebs. Nie hat er in seinem Leben geraucht. Den Krebs bekam er vollkommen unverschuldet. Aber jetzt nimmt ihm diese entsetzliche Krankheit die Kraft zum Leben.
Ich bewundere diesen Mann. Lange, wirklich lange hat er seinen Humor behalten. Gelacht, Scherze gemacht als es für ihn selber eigentlich schon gar nichts mehr zum Lachen gab. Nun sitzt er in seinem Sessel, hustet und spuckt, kann seit Monaten nicht mehr vor die Tür und ist auf die Hilfe von anderen angewiesen. Er jammert nicht. Nein. Kein Wort des Leides kommt über seine Lippen. Er weiß, dass sein Weg noch beschwerlich ist, und das Wichtigste scheint mir für ihn im Moment zu sein, dass da jemand ist, der ihm zuhört. Er will erzählen, will erzählen aus seinem Leben. Immer wieder wird er durch Husten unterbrochen, aber da ist noch Leben in ihm. Das will gehört werden. Er braucht Leute, die ihm zu hören.
Wenn Menschen so lange krank sind wie er, benötigen sie Freunde, Familie, die den längeren Atem haben und ihre Kraft dem Weggehenden schenken. Mich stimmt es nachdenklich. Ich habe keine engen Freunde, von denen ich mir vorstellen kann, dass sie so einen langen Weg mit mir gehen würden. Aber ich weiß, dass sie notwendig sind, vielleicht sogar lebensnotwendig.
Heute bin ich traurig. Es tut so weh zu sehen, wie diese Kraft in diesem starken Menschen schwindet und wie er sich Gesellschaft wünscht. Meine Großeltern sind beide immer sehr bemüht gewesen, haben sich um ihre Mitmenschen gekümmert, nun, am Ende ihres Lebens, wo ihre eigene Kraft schwindet, schwinden auch die Menschen um sie herum, denn es braucht Mut dem Tod ins Auge zu sehen. Mein Opa lehrt mich diesen Mut. Und heute wünsche ich ihm noch ganz viele Ohren, die ihm zuhören, damit das Leben in ihm nicht ungehört verstummt.
Ich wünsche ihm Menschen an die Seite, die den längeren Atem haben und ihm ihren Atem zu schenken.

Kribbeln im Bauch

Dieses Kribbeln im Bauch, das man nie mehr vergißt
als ob da im Magen der Teufel los ist
dieses Kribbeln im Bauch kennst du doch auch
wenn man glaubt fast überzuschäumen vor Glück.
Dieses Kribbeln im Bauch, das man nie mehr vergißt
wie wenn man zuviel Brausestäbchen ißt
dieses Kribbeln im Bauch, das vermißt du doch auch
einfach überzusprudeln vor Glück.

Wir haben uns so aneinander gewöhnt
uns bringt nichts und niemand aus der Ruhe
die Zeit hat uns die Leidenschaft abgewöhnt
sie steht - wie das schwarze Paar Schuhe
irgendwo unten im Kellerregal
wartet auf ein Begräbnis
und wir tun so, als wär' das normal
unsere Liebe steht ab und wird schal.

Dieses Kribbeln im Bauch...

Wir haben uns so aneinander gewöhnt
und daran, uns kurz zu fassen
die Zeit hat uns die Leidenschaft abgewöhnt
wir haben es durchgehen lassen
die Gefühle für dich sind nicht einfach verpufft
Liebe löst sich nicht einfach auf
aber unser Gefrierpunkt ist schon länger in Sicht
bloß daran gewöhn' ich mich nicht

Dieses Kribbeln im Bauch...

Wir schleichen einander wie Katzen um die Beine
und wollen doch beide nur das Eine:

Dieses Kribbeln im Bauch



Lyrics: Pe Werner


Süßer,
Ich vermisse dich ganz schön heftig -
aber gleichzeitig tut es so gut, so gut zu wissen, dass da immer noch dieses Kribbeln im Bauch ist.

18
Mai
2006

Deutschlands Sesselpuper

Gerade am Telefon.

Frau Momente will vom Finanzamt eine Auskunft:



Guten Tag. Mein Name ist Momente. Ich habe ein paar kleine Fragen zu meiner Einkommenssteuererklärung.

Ja. Da müssen sie doch nicht anrufen, um zu fragen ob sie eingegangen ist.

Ich habe meine Einkommenssteuererklärung abgschickt, aber ich möchte gerne etwas nachreichen. Soll ich ihnen meine Steuernummer geben?

Die brauche ich nicht.

Aha.

Wann haben Sie sie abgeschickt?

Letzten Freitag.

Dann ist sie noch nicht bei mir. Nach Eingang durchläuft sie verschiedene Phasen. Also kann ich Ihnen auch nicht helfen.

Vielleicht hören Sie mir bitte erst einmal zu. Ich habe Fragen zu meiner Einkommenssteuerklärung.

Dafür gibt es Steuerberater.

Moment einmal: Sie müssen mir doch helfen können, wenn ich nur nicht weiß, wo ich die Zahlen eintragen muss.

Sie haben die Hotline gewählt, und ich gebe mir ja gerade Mühe ihnen zu helfen.

Nun gut. Im letzten Jahr konnte ich die Kindergartenkosten absetzen, weil ich erwerbstätig bin. Ich habe dieses Passage auf dem Formular nicht gefunden.

Da kann ich Ihnen auch nicht helfen. Ich muß mich da auch erst reinlesen. Gehen Sie dieses Formular Zeile für Zeile durch, dann werden Sie es finden.

Das habe ich ja getan. Aber ich habe nicht genau verstanden, wo ich das jetzt eintragen muss.

Weiß ich auch nicht. Dann müssen sie das Beiblatt nehmen.

Sagen sie mal, das Finanzamt muß mir doch diese einfache Frage beantworten können.

Tu ich ja. Ich habe mich jetzt schon sehr um Sie bemüht. Also nehme ich mir jetzt noch das Gesetz zur Hilfe. (blablabla.)

Das sagt mir jetzt auch nicht, in welche Zeile ich das eintragen soll.

Na unter den Kinderbetreuungskosten.

Die habe ich gefunden. Aber ich finde die Zeilen 45 bis 54 nicht eindeutig. Ich verstehe sie einfach nicht. Wo denn genau?

(Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen, während der bemühte Beamte sich Punkt für Punkt durchackert.)


Ok. Jetzt habe ich es verstanden. Zweite Frage: Die Daten meines Mannes sind elektronisch bei Ihnen eingegangen. Ich habe keine Lohnsteuerkarte von ihm bekommen. Muss ich mich noch darum bemühen? Kann ich in dem Punkt schon einmal vorarbeiten?

Ja, das kommt jetzt mehr und mehr, dass die Daten bei uns elektronisch eingehen. Irgendwann bekommen wir gar keine Lohnsteuerkarten mehr.
(An der Stelle habe ich nicht noch einmal gefragt, ob er sie braucht.)

Kann ich die Anlage Kind nun verbessert nachreichen?

Ah. Tun Sie das lieber nicht. Wir arbeiten in Phasen. Vielleicht wird der Bescheid schon unten bearbeitet und zu Ihnen geschickt. Dann kann ich eh nichts tun. Warten Sie lieber ab.

Nun gut.
(In Gedanken: Natürlich werde ich sie nachreichen, ich will ja das die Daten mit in den Bescheid eingehen. Oh, dieser Mann wird mich lieben.)

Danke für Ihre Mühe.

Auf Wiederhörn.

17
Mai
2006

Hunger nach Nähe

Einfach so. Klick. Und ich werde meiner Traumwelt entrissen. Kein Geräusch. Nichts. Ohne Vorwarnung. Ohne Grund. Nur, weil mein Hirn sich nicht mehr mit meinem Unterbewußten auseinandersetzen wollte.
Schwer öffnen sich meine Augenlider. Ich kann noch nichts erkennen. Meine Sinne arbeiten nicht. Alles ist träge. Die Augen schließen sich wieder.
Und doch: Irgendetwas hat mich geweckt. Ich kann es nicht fassen, aber ich werde unruhig. Warum bin ich wach geworden? Irgendetwas Undefinierbares wollte, das ich wach bin. Ich öffne wieder meine Augen.
Es ist dunkel. Nur der Wecker wirft seinen sanften Lichtschein zu mir herüber. Du liegst neben mir. Dein Atem ist ruhig. Manchmal seufzt du leise auf. Obwohl wir nicht reden und du gleichmäßig Luft holst, merke ich, dass auch du nicht tief und fest schlummerst. Dämmerschlaf. Ich spüre es, weil du dich fast synchron mit mir in Bett wälzt.
"Mist", durchfährt es mich, "er muß morgen so früh aufstehen und jetzt wird er wach, nur weil du wach bist. Leichter Schlaf. Alles bekommt er mit. Jede kleinste Winzigkeit. Bloß nicht so viel bewegen und die Schlafende mimen."

Nicht bewegen ist anstrengend. Jeder Muskel sehnt sich danach bewegt zu werden. Verzweifelt versuche ich mich innerlich abzulenken. Doch der Geist wird immer wacher und das Denken ist nicht mehr abzuschalten.

Fern waren wir uns in den letzten Tagen. Kein Streit hat uns distanziert. Viel mehr haben wir beide unsere eigenen Leben gelebt. Jeder ist seinen Dingen nach gegangen. Nichts hat uns entzweit, nur macht sich in mir ein gewisses Unbehagen breit, dass nicht alles in Ordnung ist. Es läuft, könnte aber auch Gefahr laufen abzudriften.
Seufzen. Sehnsüchtiges Seufzen.
Es ist der Hunger nach Nähe. Auf einmal will ich das alles in mich aufsaugen, was ich in den letzten Tagen verpasst habe. Dich. Ich will dich spüren, ganz dringend. Jetzt. Nicht morgen früh. "Scheiß drauf, er ist eh wach, warum nicht die Ruhe der Nacht ausnutzen und die Geborgenheit und Intimität suchen, die der Tag uns nicht lassen wollte." Ich habe ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil ich genau weiß, dass ich dir jetzt erst recht kostbaren Schlaf raube, aber die Sehnsucht ist größer.
Ich kuschel mich in deinen Rücken. Drück mich fest an dich und schiebe meine Arme unter deine, dich fest umschlingend. Du lässt es willig geschehen. Schubst mich nicht weg. Bettelst nicht, ich solle dich doch in Ruhe lassen, weil du eine wichtige Dienstreise machen musst. Wir rücken dicht bei einander. Innig. Nur du und ich. Alleine. Nichts kann uns trennen.
Nur der Wecker. Der eine dreiviertel Stunde später klingelt. Klick. ...


Danke für diese zauberhafte Zeit.

14
Mai
2006

Kritik an der Kritik

Richtig kritisieren will gelernt sein -

und mit Kritik umgehen erst recht!

Ich bin davon überzeugt, dass mich konstruktive Kritik weiterbringt. Ich habe zwei Freundinnen, die mir die Wahrheit ins Gesicht sagen. Kein hinten herum, einfach offen und ehrlich. Und das schätze ich, denn ein ehrliches Feedback kann weiterbringen und ist hilfreich.

Heute ist mir noch einmal aufgefallen, dass Kritik ordentlich verpackt sein muss. Wenn ich mir nicht sicher bin, dass der andere mir wohl gesonnen ist und nur das Beste für mich will, mich ernst nimmt und an meiner Person interessiert ist, kann ich nur schwer Kritik annehmen.
Kritik bei der ich zum Beispiel belächelt werde, verfehlt ihre Wirkung und piekst ziemlich unangenehm.

Aber auch in einer schlecht vorgebrachten Kritik, kann ein wahrer Kern stecken. Darum -

behalte ich doch das Gute und verwerfe das Schlechte!

13
Mai
2006

Schweinehund

Du, Schweinehund, Du.

Ich pack dich jetzt bei den Ohren,

wirbel dich einmal durch die Luft

und werf dich aus dem Fenster.

Ab jetzt!

11
Mai
2006

Notiz an mich:

Dein Mann will gelobt werden.

10
Mai
2006

Entschuldigung

Einfaches Wort mit durchbrechender Wirkung.

Kaum ein Wort kann so viele Gedankenmauern einreißen wie das Wort "Entschuldigung".
Es bedarf oft gar nicht vieler Worte:

"Es tut mir leid." "Ich muß dich um Verzeihung bitten." "Entschuldige bitte." "Kannst du mir vergeben?"

Menschen, die sich selber klein machen können, sich vor dem anderen demütigen, sind für mich große Persönlichkeiten. Sie haben nachgedacht, können über ihre eigenes Handeln reflektieren, sehen ein, wenn sie Schuld auf sich geladen haben und sind auch bereit eben diese Schuld auf sich zu nehmen.

Der kleine Gang nach Canossa, er verbindet, wo es zerrissen war, er versetzt Berge, die unüberwindbar erschienen, und er setzt ungeahnte Kräfte frei, die vorher sich nur in Zorn und Wut verschwendeten.

Die einen schaffen es, können ihren Stolz bändigen, können sich selber ihre Schuld eingestehen und haben dann die Größe den anderen um Verzeihung zu bitten. Andere haben es nie gelernt, weil sie sich selber mit ihren höchst eigenen Eitelkeiten im Wege stehen.

Neulich war ich war sehr erstaunt: Nach einer hitzigen Diskussion zwischen meinem lieben Mann und meinem Vater, rief mein Papa an und bat um Entschuldigung dafür, dass er dieses Gespräch sehr schlecht geführt hätte. Dieser kurze Anruf seinerseits hat mich sehr beeindruckt. Er - der sich bei mir früher nie für seine zornigen Ausbrüche entschuldigen konnte, bat um ein klärendes Gespräch, bat um Verzeihung.

Eben darum lege ich lege sehr viel Wert darauf, dass ich mich bei meinen Kindern entschuldige, wenn ich sie ungerecht, unfair oder unbeherrscht behandelt habe.
Ich war als Kind mit Furcht davor besetzt, ich könne meine Gesicht verlieren, wenn ich dem anderen meine Schuld eingestehe. Erst Stück für Stück habe ich gelernt, welche Befreiung in diesem einen Wort steckt. "Entschuldigung." Bitte erlass mir die Schuld für das, was ich dir angetan habe.

Heute hat mir jemand durch einen Dritten mitteilen lassen, er will sich bei mir entschuldigen. Nicht das ich noch den Eindruck hätte, er wäre schuldig an mir geworden, aber mich beeindruckt es, wenn er über sein Verhalten nachdenkt, und zu einem eindeutigen Ergebnis kommt.

In diesem einfachen Wort steckt so viel Kraft, wenn es mit aufrichtigen Herzen ausgesprochen wird.



Edit: Er kam heute tatsächlich ganz spontan zu mir und entschuldigte sich. Ich hatte ganz schön mit den Tränen zu kämpfen - vor Rührung.

Kleine Worte - Sehr große Wirkung.
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