18
Jan
2007

FRAAIHAAIT

Voller Ehrfurcht vor den ersten Orkan-Böen stehen die Kleinen Kerle im Haustürrahmen. Sicher geschützt unter dem Vordach wagen sie immer wieder Mal ihre Nasen in den Wind zuhalten.

"Und wollt ihr nicht ganz vor die Tür gehen und den Wind richtig fühlen?"muntere ich sie auf.

"Nö, wir bleiben hier," die Antwort beider.

Da wird ein Blatt in die Tür geweht. "Schnell, mach die Tür näher ran. Die Blätter fliegen ins Haus." befiehlt der Große dem Kleinen. Der Kleine Kerl nimmt das Blatt und lässt es in die Luft steigen. Fasziniert schaut er ihm nach. Da liegt noch ein Blatt neben dem Treppenabsatz. Auf Socken holt er es sich und lässt es wieder steigen. Er schaut ihm genauso begeistert nach wie den Seifenblasen im Sommer.
Ein heftiger Windstoß erreicht die beiden und hebt vor ihren Augen viel Laub in die Luft. Eine Menge dunkler Blätter wirbelt durcheinander. Ein wahres Schauspiel.

"Und wollt ihr nicht doch einmal raus gehen?" frage ich sie zum zweiten Mal. Die beiden nicken, holen sich schnell ihre Schuhe und ziehen sie im Eiltempo an. Der Wind bläst ihnen heftig ins Gesicht. Sie kehren ihm den Rücken zu und laufen den Weg hinunter. "YEEEEAH" juchzen sie, dass die Nachbarschaft am Fenster steht und zuschaut. "YEEEAH!" kommen sie zurückgelaufen, während der Wind ihnen immer noch um die Ohren pustet. Ich schaue ihnen amüsiert zu und fühle mich an meine eigenen Kindertage erinnert, sehe vor dem geistigen Auge wie meine Eltern mit mir an der Nordsee auf den Deichen spazieren gehen. Oh, es ist so herrlich, wenn eine frische Brise um das Gesicht braust.
Ich lächel ihnen aufmunternd zu und zwei strahlende Gesichter blicken mich an. Wieder schaue ich ihnen nach - glücklich, weil sie einfach die Situation genießen und erleben können.
Da kommt der Große zurückgelaufen: "FRAAIHAAIT!" schreit er aus Leibeskräften. Ja, genau dieses Gefühl schenkt einem der Wind. Das Gefühl frei zu sein, als ob man in aller Leichtigkeit davonfliegen könnte.


Ich schmunzel. Vor fünf Minuten waren die beiden noch die größten Schisser überhaupt. Nicht einen Schritt wollten sie vor die Tür machen. Ich ahne auch, warum sie dort in aller Leichtigkeit den Wind genießen können. Es ist die Gewissheit, dass sie jederzeit Schutz im Haus finden, weil ich ihnen die Tür aufhalte und sie wieder hineinlaufen können.

Ist es nicht so, dass wir unsere Freiheit erst dann richtig genießen können, wenn wir einen schützenden Hafen haben, in den wir bei Gefahr zurückkehren können?

Gewaltige Natur

"Morgen geht die Welt unter."

Nein, mein kleiner Großer, das tut sie nicht.
Es kommt nur ein heftiger Orkan und wir sollen nicht in den Wald gehen, weil uns Äste erschlagen können.
Auch lose Gegenstände sollen wir einsammeln und in die Hütte bringen, damit sie nicht wegfliegen.
Ab Nachmittag sollten wir auch besser gar nicht mehr das Haus verlassen.
Mist, wir haben einen Termin beim Zahnarzt. Vor einem halben Jahr habe ich ihn gemacht. Nein, ich werde ihn jetzt nicht wegen ein paar Böen absagen, da müsste tatsächlich die Welt untergehen.
So wie vor ein paar Jahren, als schon einmal ein heftiger Orkan über das Land zog, riesige Äste herunterschlug und das Auto von der Landstraße drückte. Nein, das war nicht so schlimm. Der Wind heulte nur gewaltig und wir haben alle gemeinsam in einem Bett übernachtet. Die alten Tannen rund um das Haus knarzten gewaltig und ich habe mir überlegt, welches wohl der sicherste Raum im Haus ist. Ohne den Herrn des Hauses war das schon ein schwerwiegende Frage.
Ich entschied mich für das Schlafzimmer, weil das Bett hier unter zusätzlichen Balken geschützt stand. Wenn ein Baum umstürzt würde er vielleicht von den Dachbalken abgefedert werden.
Nein, mein Kleiner, es war nicht schlimm, ich war nur ein bisschen hysterisch. Es war sehr laut, der Wind heulte ununterbrochen und es knarzte gewaltig. Einmal gab es einen äußerst heftige Ruck, das alte Haus wurde erschüttert. Am nächsten Morgen lag die halbe Tanne im Garten, aber schlimm, nein, schlimm war das nicht.
Morgen haben in Düsseldorf die Kinder schon nach der vierten Stunde aus, sagst du? Was für ein Glück! Du hast gar keine Schule, weil die Lehrer auf einer Fortbildung sind.
Und ich? Ich lasse morgen das Joggen sausen, ist ja zu gfährlich im Wald. Nein, du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Ich mache mir auch keine.


Nur ob wir morgen zum Zahnarzt gehen, da bin ich mir nicht so ganz sicher. ;>



Edit: Du hast mich überzeugt, mein Großer, wir verschieben den Termin beim Zahnarzt. *Kinder sollten einfach keine Nachrichten im Fernsehen gucken.*
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