Die Eiserne Lady
Meine Oma liegt im Sterben. Seit dem Opa uns kurz vor Weihnachten verlassen hat, ist ihr Lebenswille dahin. Sie hat alles gegeben für ihren Mann, hat ihn gepflegt so wie sie konnte, dabei war sie schon selber sehr krank.
Manchesmal hat Opa uns heimlich geflüstert, dass Oma eigentlich viel kränker ist als er selber, er der an Lungenkrebs litt.
Nach dem Opa von uns gegangen war, brach jedes Gefüge zusammen. Opa hatte ihr noch die Schuhe zu gebunden. Die beiden haben sich gegenseitig am Leben erhalten. Als er nicht mehr da war, funktionierte nichts mehr. Stattdessen brach Oma vollkommen zusammen. Sie wurde tief depressiv, aß und trank nichts mehr und musste medizinisch versorgt werden.
Dabei stellte sich heraus, dass sie in den vergangenen Jahren vier Schlaganfälle hatte, die sie vertuschte, und unter Parkinson leidet, was sie ebenfalls sehr gut verbarg, - und dass alles neben ihrer Bluterkrankung, die schon seit 17 Jahren mit Chemotherapie behandelt wird.
Heute kann sie nichts mehr. Ihre Hände kann sie nicht zum Mund führen, sie kann nichts mehr schlucken. Nur sprechen kann sie noch, ganz leise aber klar.
Der behandelnden Ärztin hat sie heute mitgeteilt, dass sie Nasen- und Magensonde ablehnt. Nur Flüssigkeitszufuhr über den Tropf ist noch in ihrem Willen. Ihr Verstand war klar, klarer als in den vergangenen Wochen. Sie will nicht mehr, obwohl sie unter dem Durst leidet, mehr als ich mir vorstellen kann.
Oma hat entschieden und meine Mutter hat unterschrieben.
"Ich habe den ganzen Weg zum Auto geweint, weil ich das Gefühl hatte, ich hätte jetzt das Todesurteil für meine Mutter unterschrieben." erzählte sie mir eben am Telefon, mit einer Festigkeit in der Stimme, die mich sehr überrascht.
"Das hast du nicht. Oma hat entschieden. Sie will nicht mehr. Was hätte sie auch noch für eine Freude im Leben? Sie kann nicht Orgel spielen, sich nicht um ihre Blumen kümmern oder basteln. Da ist nichts mehr, was sie am Leben hält." versuche ich ihr Mut zu zusprechen.
"Ich weiß, - ich weiß, dass ich das Richtige getan habe." pflichtet meine Mutter mir bei.
"Ja und stell dir einmal vor, sie wäre verwirrt gewesen: Du hättest den Sonden zu gestimmt und sie hätte gelitten, weil du ihr Leben verlängert hättest. Sie wäre zornig darüber geworden, das weißt du, und aber so hast du ihr die letzte Würde erhalten, die Würde, selber entscheiden zu dürfen. Du hast sie nicht unmündig gemacht."
Meine Mutter lacht: "Sie hat es so gemacht wie immer. Sie hat bestimmt. Selbst jetzt hat sie bestimmt. Das ist unglaublich!"
"Was für ein eiserner Wille!" betone ich und Mutter stimmt zu:
"Oma stellt selbst Mrs. Thatcher in den Schatten." Wir lachen und legen auf, in Gedanken bei Oma, die uns jetzt sehr bald verlassen wird.
Ich lache und dennoch stehen mir die Tränen in den Augen, weil... ja weil ich eine riesige Achtung vor diesem eiserenen Willen habe, und weil ich ihr von Herzen wünsche, dass ihr Leiden irgendwie erträglich wird.
Ach Gott, erfüll ihr ihren Willen und lass sie einfach nur einschlafen.
Manchesmal hat Opa uns heimlich geflüstert, dass Oma eigentlich viel kränker ist als er selber, er der an Lungenkrebs litt.
Nach dem Opa von uns gegangen war, brach jedes Gefüge zusammen. Opa hatte ihr noch die Schuhe zu gebunden. Die beiden haben sich gegenseitig am Leben erhalten. Als er nicht mehr da war, funktionierte nichts mehr. Stattdessen brach Oma vollkommen zusammen. Sie wurde tief depressiv, aß und trank nichts mehr und musste medizinisch versorgt werden.
Dabei stellte sich heraus, dass sie in den vergangenen Jahren vier Schlaganfälle hatte, die sie vertuschte, und unter Parkinson leidet, was sie ebenfalls sehr gut verbarg, - und dass alles neben ihrer Bluterkrankung, die schon seit 17 Jahren mit Chemotherapie behandelt wird.
Heute kann sie nichts mehr. Ihre Hände kann sie nicht zum Mund führen, sie kann nichts mehr schlucken. Nur sprechen kann sie noch, ganz leise aber klar.
Der behandelnden Ärztin hat sie heute mitgeteilt, dass sie Nasen- und Magensonde ablehnt. Nur Flüssigkeitszufuhr über den Tropf ist noch in ihrem Willen. Ihr Verstand war klar, klarer als in den vergangenen Wochen. Sie will nicht mehr, obwohl sie unter dem Durst leidet, mehr als ich mir vorstellen kann.
Oma hat entschieden und meine Mutter hat unterschrieben.
"Ich habe den ganzen Weg zum Auto geweint, weil ich das Gefühl hatte, ich hätte jetzt das Todesurteil für meine Mutter unterschrieben." erzählte sie mir eben am Telefon, mit einer Festigkeit in der Stimme, die mich sehr überrascht.
"Das hast du nicht. Oma hat entschieden. Sie will nicht mehr. Was hätte sie auch noch für eine Freude im Leben? Sie kann nicht Orgel spielen, sich nicht um ihre Blumen kümmern oder basteln. Da ist nichts mehr, was sie am Leben hält." versuche ich ihr Mut zu zusprechen.
"Ich weiß, - ich weiß, dass ich das Richtige getan habe." pflichtet meine Mutter mir bei.
"Ja und stell dir einmal vor, sie wäre verwirrt gewesen: Du hättest den Sonden zu gestimmt und sie hätte gelitten, weil du ihr Leben verlängert hättest. Sie wäre zornig darüber geworden, das weißt du, und aber so hast du ihr die letzte Würde erhalten, die Würde, selber entscheiden zu dürfen. Du hast sie nicht unmündig gemacht."
Meine Mutter lacht: "Sie hat es so gemacht wie immer. Sie hat bestimmt. Selbst jetzt hat sie bestimmt. Das ist unglaublich!"
"Was für ein eiserner Wille!" betone ich und Mutter stimmt zu:
"Oma stellt selbst Mrs. Thatcher in den Schatten." Wir lachen und legen auf, in Gedanken bei Oma, die uns jetzt sehr bald verlassen wird.
Ich lache und dennoch stehen mir die Tränen in den Augen, weil... ja weil ich eine riesige Achtung vor diesem eiserenen Willen habe, und weil ich ihr von Herzen wünsche, dass ihr Leiden irgendwie erträglich wird.
Ach Gott, erfüll ihr ihren Willen und lass sie einfach nur einschlafen.
momente - 29. Jan, 21:15
10 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
flyhigher - 30. Jan, 15:04
Du machst mich fast sprachlos, wie toll du mit dem Thema Tod umgehst. Das dachte ich mir schon bei deinem Opa, und denke es jetzt wieder.
Viel Kraft wünsch ich dir!
Viel Kraft wünsch ich dir!
Chaot35 - 30. Jan, 20:44
das selbe möchte ich auch behaupten.
schwere zeiten. ich denk an euch.
schwere zeiten. ich denk an euch.
caliente_in_berlin - 30. Jan, 15:08
...und ich habe Tränen in den Augen. (hatte ich damals beim Opa auch)
larousse - 30. Jan, 15:34
Ja, ich auch.
momente - 30. Jan, 21:00
Ihr Lieben, vielen Dank für Eure herzlichen Worte.
Ich glaube heute wirklich, Gott hat sie gehört.
Meine Oma ist vor zwei Stunden für immer heim gegangen.
Ich glaube heute wirklich, Gott hat sie gehört.
Meine Oma ist vor zwei Stunden für immer heim gegangen.
fritzi_pfuscht - 31. Jan, 12:28
Liebe Momente,
mir fehlen mal wieder die Worte... Ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft für die nächste Zeit.
mir fehlen mal wieder die Worte... Ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft für die nächste Zeit.
cappuccina - 31. Jan, 17:37
"Das Leben wird nicht genommen, nur gewandelt!"
Dieser Satz hat mir beim Tod meiner Lieblingsoma sehr geholfen!
Alles Liebe! c.
Dieser Satz hat mir beim Tod meiner Lieblingsoma sehr geholfen!
Alles Liebe! c.
momente - 31. Jan, 21:37
Danke auch für euren warmen Worte.
Tobias K. (Gast) - 1. Feb, 18:25
Ich entdecke es grade erst...
... und hoffe, Du weißt inzwischen, was ich Dir wünsche. Es erneut aufzuschreiben würd's irgendwie mehr zu Worten als zu Sinn und wirklich gemeintem machen. Aber ich denke an euch. Und wünsche euch Kraft und vieles mehr.
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